
Wenn man an Südamerika denkt, kommen einem meist Bilder von Machu Picchu, dem Amazonas oder den Stränden Brasiliens in den Sinn. Doch es gibt eine Ecke dieses Kontinents, die oft übersehen wird – geheimnisvoll, rau und voller Überraschungen: die Guyanas. Und genau dorthin haben wir uns gewagt. Mit unserem VW T5 4x4 haben wir die Strassen, Pisten und Flüsse von Französisch-Guayana, Suriname und Guyana erkundet – ein Roadtrip, der uns nicht nur landschaftlich, sondern auch kulturell tief beeindruckt hat.
Zwei Monate, drei Länder, ein Abenteuer: Unsere Reise durch die Guyanas war wild, überraschend, lehrreich – und voller Kontraste. Mit unserem Piccolo haben wir uns durch Regenwald, Kolonialstädte, Raumfahrtzentren und über rote Pisten gekämpft. Nach Monaten, ja sogar Jahren voller südamerikanischer Wildnis, Abenteuer und Grenzerfahrungen rollten wir plötzlich wieder auf europäischem Boden – zumindest gefühlt. Denn Französisch-Guyana, ein französisches Überseedepartement an der Nordostküste Südamerikas, gehört politisch zu Europa.
In diesem Blogbeitrag teilen wir mit Euch unsere Highlights, die schönsten Orte, spannende Begegnungen und wertvolle Informationen für eine Reise mit dem eigenen Auto nach Französisch-Guyana.

Nach einer langen Fahrt über den Amazonas legten wir mit dem Schiff in Macapá an. Von dort ging es weiter nordwärts, bis wir schliesslich Französisch-Guyana erreichten. „Willkommen in Europa“ – ein Satz, den man in Südamerika kaum erwartet. Die Einreise? Erstaunlich mühelos: ein flüchtiger Blick auf den Pass, keine Fragen, kein Visum für Piccolo. Und schon waren wir mittendrin – in Europa. Und genauso fühlte es sich auch an.

Strassenschilder im bekannten französischen Design, Boulangerien mit frischem Baguette und Croissants in jeder noch so kleinen Ortschaft und Supermärkte wie Carrefour und Super U, die uns mit vertrauten Produkten und Preisen begrüssten – fast wie zu Hause, nur mit tropischem Regenwald drumherum.

Schmugglerromantik und Dschungelwanderung
Gleich nach der Grenze suchten wir uns einen Übernachtungsplatz am Rio Oyapoque, dem Grenzfluss zwischen Brasilien und Französisch-Guyana. Die Szenerie war etwas skurril: verlassene Überseecontainer, verfallene Unterstände und immer wieder Boote, die beladen und wortlos den Fluss überquerten. Ein bisschen mulmig war uns schon – ob hier wohl Schmuggler unterwegs sind? Doch die Aussicht auf eine Wanderung durch den angrenzenden Regenwald liess uns bleiben.

Am nächsten Morgen, noch vor der grossen Hitze, starteten wir um 7 Uhr unsere erste Dschungeltour. Vier Kilometer durch tropisches Dickicht, begleitet vom Zwitschern exotischer Vögel und dem Rascheln unbekannter Tiere im Unterholz. Es war ein magischer Start in dieses neue Land – wild, grün und voller Leben.
Start zum Sentier Botanique de Saut Maripa mit Übernachtungsplatz:
3.80427, -51.88735

Cacao – Gemüse, Laos und Schmetterlinge
Etwa eine Stunde von Cayenne entfernt liegt das Dorf Cacao – und der Name täuscht. Hier wächst kein Kakao, sondern Gemüse. Viel Gemüse. Ein Grossteil der Versorgung Französisch-Guyanas stammt aus diesem kleinen Ort, der von der Hmong-Gemeinschaft geprägt ist. Die Hmong sind eine ethnische Minderheit aus Laos, die in den 1970er Jahren vor Krieg und politischer Verfolgung floh und unter anderem in Frankreich Zuflucht fand.

In Cacao haben sie ihre Traditionen bewahrt und eine ruhige, fast meditative Atmosphäre geschaffen. Der Sonntagsmarkt ist klein, aber besonders: frisches Gemüse, asiatische Kleidung, handgemachte Souvenirs und köstliches Streetfood. Im kleinen Museum Le Planeur Bleu bestaunten wir eine beeindruckende Sammlung von Schmetterlingen, Spinnen, Käfern und anderen Insekten – faszinierend und ein bisschen gruselig. Der Betreiber erzählte mit leuchtenden Augen von seinen 'Schätzen'.

Am Rivière La Compté in Cacao fanden wir einen traumhaften Stellplatz und blieben mehrere Tage – einfach, weil es sich so gut anfühlte.
Übernachtungsplatz in Cacao:
4.57351, -52.47787

Sentier Botanique de la Montagne Trésor
Der Sentier Botanique de la Montagne Trésor liegt etwa 40 bis 45 Kilometer südöstlich von Cayenne, entlang der Strasse nach Kaw in der Gemeinde Roura. Die Fahrt dauert ungefähr 1 bis 1.5 Stunden.
Der botanische Pflanzenlehrpfad ist ein kleines Juwel. Der 1.8 km lange Wanderweg schlängelt sich durch eine üppige Vegetation und eröffnet faszinierende Einblicke in die biologische Vielfalt des Amazonas.

Entlang des Weges informieren Totems über die Fauna, Flora und Ökosysteme des Amazonas. Hunderte Pflanzenarten, farbenfrohe Vögel, faszinierende Insekten – hier spürt man die Lebendigkeit des Amazonas hautnah. Besonders beeindruckt hat uns die Vielfalt der Blumen – wie muss das hier wohl aussehen, wenn alles in voller Blüte steht😃?
Start Sentier mit Übernachtungsplatz:
4.61031, -52.27906

Cayenne – Hauptstadt mit karibischem Flair und europäischem Preisniveau
Cayenne, die Hauptstadt Französisch-Guyanas, ist ein faszinierender Schmelztiegel aus französischer Ordnung, kreolischer Lebensfreude und tropischer Wildnis. Schon beim ersten Spaziergang durch die Stadt spürt man: Hier treffen Welten aufeinander. Besonders spürbar wurde dieser Mix auf dem Wochenmarkt am Place Victor Schoelcher: exotische Früchte, duftende Gewürze, Stimmengewirr in Französisch und Kreolisch. Und Preise, die uns kurz schlucken liessen.

4 € für ein Kilo Auberginen, 6 € für Zitronen, 8 € für Tomaten – das teuerste Gemüse, das wir in ganz Südamerika gesehen haben. Willkommen in Europa 😂.
Der Markt ist aber mehr als nur Einkaufsort – er ist ein sozialer Treffpunkt, ein Ort für spontane Musik und ein Fenster in die kulinarische Seele der Region. Wer früh kommt, kann den Fischern
beim Anlanden zusehen und sich mit frischem Maracuja-Saft stärken.

Etwas ausserhalb des Zentrums fanden wir einen ruhigen Stellplatz in einem Bambuswäldchen. Bei unserer Ankunft wurden wir neugierig von einer kleinen Affenschar beobachtet, die sich lautlos durch die Äste bewegte. Leider blieb die Kamera im Auto. Direkt daneben plätscherte ein Fluss mit einem natürlichen Pool, in dem wir uns am Abend erfrischten. Am nächsten morgen um 6 Uhr joggten die ersten Cayenner an unserem Piccolo vorbei. Wir standen mitten im Naherholungsgebiet von Cayenne...
Übernachtungsplatz: 4.88430, -52.26255

Kourou – Europas Tor zum Weltall und Ausgangspunkt zu den Teufelsinseln
Kourou liegt an der Atlantikküste Französisch-Guyanas und wirkt auf den ersten Blick wie ein verschlafenes Küstenstädtchen. Doch hinter der ruhigen Fassade verbirgt sich ein Ort von globaler Bedeutung: das Centre Spatial Guyanais (CSG), Europas wichtigster Weltraumbahnhof und Herzstück der ESA-Raumfahrtaktivitäten.

Die dreistündige Tour durch das Gelände des Raumfahrtzentrums war ein echtes Highlight. Mitten im tropischen Regenwald erstreckt sich ein Hightech-Komplex, der seit den 1970er-Jahren Raketen in den Orbit schickt. Das Gelände ist riesig, streng gesichert und überraschend grün – zwischen Startplattformen und Kontrollzentren wuchern Palmen und Mangroven. Besonders spannend war der Blick auf die neue Startrampe ELA-4, von der im Juli 2024 die Ariane 6 zum ersten Mal abgehoben ist.

Dieser Jungfernflug war ein bedeutender Meilenstein für die europäische Raumfahrt: Nach dem Ende der Ariane 5 im Sommer 2023 und dem Ausfall der russischen Sojus-Raketen war Europa über ein Jahr lang ohne eigene Trägerrakete. Mit der Ariane 6 wurde diese Lücke geschlossen – sie soll künftig Satelliten für kommerzielle und öffentliche Auftraggeber ins All bringen. Die Rakete ist Europas Hoffnungsträger für eine unabhängige Raumfahrt – schneller, günstiger und flexibler als ihr Vorgänger Ariane 5.

Leider wurde der nächste Start um ein paar Wochen verschoben. Wir wären gern dabei gewesen, wenn sich die Triebwerke zünden und die Rakete über den Atlantik donnert – aber unser Zeitplan war ein anderer.
Ein faszinierender Fakt: Der Standort Kourou liegt nur rund 580 km vom Äquator entfernt. Diese Nähe verleiht Raketen beim Start einen zusätzlichen Geschwindigkeitsschub durch die Erdrotation – ein echter Vorteil für geostationäre Satelliten. Und da die Flugbahn über den Ozean führt, sind Starts besonders sicher.

Kourou ist auch Ausgangspunkt für die Îles du Salut, die berüchtigten 'Teufelsinseln'. Die Stadt selbst ist unspektakulär, aber unser Stellplatz auf dem Parkplatz des grössten Hotels mit Blick auf den Sonnenuntergang war überraschend schön.
Übernachtungsplatz: 5.15971, -52.62685

Îles du Salut – düstere Vergangenheit, tropisches Paradies
Mit dem Katamaran von Gaétan - seine Firma Guyavoile befindet sich am Hafen von Kourou - glitten wir über das türkisfarbene Wasser des Atlantiks. Unser Ziel: die geheimnisvollen Îles du Salut. Was heute wie ein tropisches Idyll wirkt, war einst ein Ort des Grauens: eine französische Strafkolonie, die bis 1951 politische Gefangene und Schwerverbrecher unter unmenschlichen Bedingungen beherbergte.

Die Îles du Salut bestehen aus drei vulkanischen Inseln:
Der Île Royale – die grösste und zugänglichste Insel, einst Verwaltungssitz der Strafkolonie. Heute kann man hier durch die Ruinen schlendern, in einem ehemaligen Wärterhaus übernachten und sogar ein kleines Museum besuchen.

Die Île Saint-Joseph ist berüchtigt für Einzelhaft und besonders harte Strafen. Die Zellen ohne Dach, in denen Gefangene der tropischen Sonne und dem Regen schutzlos ausgeliefert waren, sind bis heute erhalten.

Die Île du Diable – die 'Teufelsinsel', bekannt durch den Fall Alfred Dreyfus ist aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich zugänglich, aber ihr düsterer Ruf hallt bis heute nach. Einer der prominentesten Häftlinge war Alfred Dreyfus, ein französischer Offizier, der 1895 fälschlich des Landesverrats beschuldigt wurde und jahrelang in Isolationshaft auf der Île du Diable lebte. Sein Fall erschütterte Frankreich und führte zu einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Debatte über Antisemitismus und Justizirrtum.

Auch Henri Charrière, bekannt durch seinen autobiografischen Roman Papillon soll hier inhaftiert gewesen sein. Ob seine spektakuläre Flucht und die geschilderten Erlebnisse tatsächlich so stattfanden, bleibt bis heute umstritten – doch sein Buch und der gleichnamige Film machten die Inseln weltweit bekannt.

Was einst als Ort der Strafe und Isolation galt, ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Die Mischung aus tropischer Vegetation, historischen Ruinen und exotischer Tierwelt ist einzigartig. Totenkopfäffchen, Aras, Leguane und sogar Kaimane begegnen den Besucher:innen neugierig und oft erstaunlich zutraulich. Die frische Meeresluft, die Palmen, das Rauschen der Wellen – all das steht in starkem Kontrast zur düsteren Vergangenheit.

Saint-Laurent-du-Maroni – mit dem Ponton nach Suriname
Unsere letzte Station in Französisch-Guyana war Saint-Laurent-du-Maroni – eine Stadt, die sich wie ein stiller Beobachter am Ufer des mächtigen Maroni-Flusses ausbreitet. Die Stadt selbst hat eine bewegte Vergangenheit. Gegründet im 19. Jahrhundert als Verwaltungssitz der französischen Strafkolonie, war Saint-Laurent-du-Maroni jahrzehntelang das Tor zur Hölle für tausende Gefangene. Im berühmten Camp de la Transportation wurden Neuankömmlinge registriert, bevor sie auf die berüchtigten Îles du Salut weitergeschickt wurden.

Auch Henri Charrière, bekannt durch seinen Roman Papillon, soll hier inhaftiert gewesen sein. Hier, wo Französisch-Guyana an Suriname grenzt, wollten wir eigentlich ganz klassisch mit der Fähre übersetzen. Doch wie so oft auf Reisen kam es anders: Die Rampe wurde gerade neu gebaut, die Fähre war ausser Betrieb – und der nächste planmässige Start lag mindestens zehn Tage entfernt. So lange wollten wir nicht warten.

Die Lösung kam in Form von Sergio – einem Mann mit Sonnenbrille, breitem Grinsen und einem Ponton, das aussah, als hätte es schon viele Geschichten erlebt. Für 300 € bot er uns die Überfahrt an. Nach etwas Verhandlung, einem charmanten Lächeln und einem gebrauchten Schweizer Taschenmesser als Bonus einigten wir uns auf die Hälfte.
Am nächsten Morgen standen wir wie abgemacht um 8 Uhr am Hafen. Sergio war nicht da – aber seine Brüder. Sie baten uns höflich, um 14 Uhr wiederzukommen.

Also nutzten wir die Zeit für einen letzten Brunch mit Croissants und Baguette, liessen die Drohne noch einmal steigen und verabschiedeten uns langsam von diesem Land, das uns drei Wochen lang begleitet hatte. Um 14 Uhr trafen wir Sergio – das Ponton war noch nicht frei. Er bestellte uns auf 16 Uhr. Ob das heute noch klappt? Um 16.45 h war es dann sowiet. Wir rollten auf das Ponton, das sich gemächlich vom Ufer löste. Um 17 Uhr erreichten wir Suriname. Ein Abschied, wie er französischer nicht hätte sein können: mit Geduld, Charme und einem Croissant im Gepäck.
Tropisch, europäisch und unvergesslich
Französisch-Guyana hat uns überrascht und berührt. Es ist ein Ort, der sich nicht in Schubladen stecken lässt – tropisch und europäisch zugleich, wild und geordnet, fern und doch vertraut. Wir haben Raumfahrttechnik im Dschungel bestaunt, koloniale Geschichte gespürt, die stille Kraft des Regenwalds erlebt. Und wir haben uns immer willkommen und wohl gefühlt.
Für uns war Französisch-Guyana kein Zwischenstopp – sondern ein Kapitel voller Kontraste, Begegnungen und Geschichten. Und vielleicht auch ein stiller Hinweis darauf, dass Europa manchmal ganz anders aussehen kann.
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